Hanya Yanagihara: Das Volk der Bäume
„Welcher Tribut ist einer vorstellbaren Unsterblichkeit wohl angemessen?“ – Diese Frage stellt sich der junge Arzt Norton Perina als er auf der Insel Ivu’ivu ein Mittel gegen die Sterblichkeit des Lebens gefunden hat. Die waghalsige Abenteuerreise in ein unbekanntes Archipel im Südpazifik (viele Stellen erinnern an die Dschungelexpeditionen aus „Herz der Finsternis“ von J. Conrad) erschließt sich dem Leser durch die vielen Reiseberichte über Lebensweise, Sprache und Kultur eines fiktiven Urvolkes. Diese essen zur Feier ihres 60. Geburtstages eine bestimmte Schildkrötenart und werden fortan mehrere hunderte Jahre alt – gekennzeichnet durch geistigen Marasmus. Perina, der rückblickend von seinen Expeditionen erzählt, verfasst seine Memoiren im Gefängnis, denn sein Forscherdrang brachte auch die Liebe zu Kindern in ihm hervor..
Perinas Schicksal ist Fluch und Segen zugleich: die Erforschung einer bisher unbekannten Gattung Mensch, ihr endlos scheinendes Leben, sein kometenhafter Aufstieg zum Nobelpreisträger, und das dunkle Kapitel zur Frage inwieweit man Werk und Genie trennen muss, machen diesen Abenteuerroman ( den man teils als fiktive literarische BBC-Reportage vom Format eines D. Attenborough verstehen kann) zu einer großen Gewissensfrage, die Yanagihara mit einer wahrhaft meisterlichen Kunst zur Differenzierung zu erzählen vermag.
Yanagihara erzählt auf wundervolle Weise in ihrem Debütroman (ja, „Ein wenig Leben“ von 2015 ist bereits das zweite Buch) eine spannende Abenteuererzählung mit fantastischen Naturbeschreibungen und einer Fragestellung die klassischer und aktueller nicht sein könnte: Wie tief können die Abgründe des Menschlichen sein?
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